Friedrich Franz II: Tagebücher des Großherzogs 1841–1854

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Titel
Vormärz und Revolution. Die Tagebücher des Großherzogs Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin 1841–1854, kommentiert, eingeleitet und hrsg. v. René Wiese


Autor(en)
Mecklenburg-Schwerin, Friedrich Franz II. von
Reihe
Quellen und Studien aus den Landesarchiven Mecklenburg-Vorpommerns 16
Erschienen
Köln 2014: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
375 S.
Preis
€ 39,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Tobias Hirschmüller, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt

Editionen von Selbstzeugnissen eines während der Zeit des Deutschen Bundes regierenden Fürsten sind eine Seltenheit, wie René Wiese korrekt bemerkt (S. 15). Die Herausgabe der Tagebücher von Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin trägt dazu bei, den Vormärz der 1840er- sowie die Revolutionsjahre aus der Perspektive zunächst eines Kronprinzen und dann Regenten zu betrachten.

Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin wurde 1823 unter der Regentschaft seines Urgroßvaters Friedrich Franz I. in der Zeit der Restauration nach dem Wiener Kongress geboren. Die Erziehung des Prinzen am Schweriner Hof war geprägt durch die Witwe des verstorbenen Großvaters, die Erbgroßherzogin Auguste. Die gebürtige Prinzessin von Hessen-Homburg stand unter dem Einfluss der christlichen Erweckungsbewegung, die in der Zeit nach den Napoleonischen Kriegen in den deutschen Staaten einen Aufschwung erlebte. Auch die Mutter des Prinzen, Alexandrine von Preußen, brachte die Frömmigkeit, aber auch den Einfluss der Hohenzollern mit nach Schwerin. Erbprinz Friedrich Franz besuchte zunächst ab 1837 die Blochmannsche Erziehungsanstalt und ab 1840 in Begleitung eines Gouverneurs die Bonner Universität. Sein dortiges Studium war auf den Erwerb von Fremdsprachen sowie juristische und historische Kenntnissen konzentriert. Er musste seinen Bildungsweg jedoch schon 1842 abbrechen und mit 19 Jahren die Nachfolge seines Vaters antreten. Aufgrund seiner Unerfahrenheit in vielen Bereichen der Regierungsgeschäfte suchte der junge Großherzog Unterstützung vor allem bei seinem ersten Minister, Ludwig von Lützow. Die Krisen des Landes, insbesondere zwischen den landtagsfähigen Adligen und den bürgerlichen Großgrundbesitzern sowie die Versorgungskrisen in der Bevölkerung, konnten kaum angegangen werden.

Engagement zeigte der Großherzog in der Sozialfürsorge und als Förderer von Künsten und Wissenschaften. Zudem kennzeichnete ihn eine ausgeprägte Reisetätigkeit ins europäische Ausland. Nach anfänglicher Zurückhaltung setzte er 1848 im Zuge der revolutionären Ereignisse eine Kommission zur Vereinbarung einer Verfassung ein, was nach langwierigen Verhandlungen noch im Oktober 1849 zur Verabschiedung eines konstitutionellen Staatsgrundgesetzes führte. Wenn er auch einer deutschen Einigung zustimmend gegenüberstand, hatte er mit zunehmendem Widerstand durch seine Verwandtschaft sowie durch die großherzogliche Familie in Strelitz und gegen den Einfluss Preußens zu kämpfen. So musste die Verfassung 1850 schon wieder zurückgenommen werden, und in den darauffolgenden Jahren ließ der Großherzog der Reaktion weitgehenden Handlungsspielraum.

René Wiese, Archivar der Abteilung Landesarchiv im Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin, hat die im Nachlass von Großherzogin Marie, der dritten Ehefrau von Franz Friedrich, erhaltenen beiden Tagebuchalben sowie drei retrospektive Selbstbetrachtungen der Regierungstätigkeit von Friedrich Franz II. ediert. Von den beiden Tagebuchbänden des Fürsten umfasst der erste geschlossen den Zeitraum von Januar 1841 bis März 1844. Der zweite Band schließt chronologisch unmittelbar an und reicht bis zum November 1849. Hier ist jedoch eine größere zeitliche Lücke vorhanden. So hatte der Großherzog im März 1847 seine Eintragungen vorerst beendet und erst mit Beginn der Februarrevolution 1848 in Frankreich wieder aufgenommen. Weitere Tagebücher wurden von Friedrich Franz nach 1849 wohl nicht angefertigt. Mit dem Projekt will Wiese Einblicke in die mecklenburgische Hofkultur sowie die europäische Geschichte aus der Sicht eines Erbprinzen und Monarchen zugänglich machen und letztlich den Anspruch Schwerins auf Anerkennung als Weltkulturerbe der UNESCO untermauern (S. 13). Seine 2005 publizierte Dissertation hatte bereits Großherzog Friedrich Franz zum Gegenstand.1

Die Edition der Tagebuchnotizen ermöglicht einer breiten Öffentlichkeit Einblicke in Aspekte der Geschichte der 1840er-Jahre aus der Perspektive des Hochadels. „Sie zeigen die mecklenburgische Erbmonarchie in den Auseinandersetzungen mit den Anforderungen des 19. Jahrhunderts“ (S. 14), wie René Wiese beschreibt. Neben den Schilderungen des Alltags in den Studienjahren sind hierbei insbesondere die Reiseberichte und die höfische Festkultur Gegenstand der Schilderungen von Friedrich Franz. Gleichzeitig ist bei den Eintragungen jene Problematik vorhanden, wie sie oft bei derartigen Quellen aus dem Hochadel anzutreffen ist. Wie etwa bei König Maximilian II. von Bayern oder Erzherzog Johann von Österreich 2 handelt es sich oft um stichpunktartige Notizen. Beispielsweise werden Treffen mit Ludwig von Lützow oft nur mit der Nennung des Familiennamens des Ministers berücksichtigt, ohne auf ihren Gegenstand und Kontext einzugehen (S. 242 und 246). Trotz dieses Umstandes sind die Eintragungen aus der Zeit der Revolutionsjahre 1848 und 1849 von besonderem Wert. Die Notizen liefern wichtige Einblicke vor allem in die Wahrnehmung und auch teilweise in die Motivation der Reaktionen von Friedrich Franz. Hierin liegt die zentrale Bedeutung der Edition.

Hinsichtlich der wissenschaftlichen Aufbereitung der Quellen bleiben freilich einige Wünsche offen. Hierzu zählt zunächst die knapp gehaltene Einleitung. Hier führt Wiese in seiner ersten Fußnote an: „Die biographische Einordnung darf skizzenhaft bleiben.“ (S. 8) Stattdessen verweist er auf seine Dissertation zur Thematik. Unter den Kapiteln „Biographische Einleitung“ und „Editorische Einleitung“ wird mit zahlreichen Wiederholungen und redundanten Abschweifungen, wie das Bedauern der realen und klischeehaften mecklenburgischen Rückständigkeit, die Biographie des Großherzogs schemenhaft chronologisch dargelegt. Die Charakterisierung der Person des Großherzogs bleibt weitgehend unklar. Insbesondere das Machtverhältnis zwischen dem Großherzog und dem zentralen Minister Ludwig von Lützow wird nicht geklärt („Bei vorsichtigen Veränderungen, die die Stellung der Monarchie nicht gefährdeten, folgte Friedrich Franz in der Regel dem Rat seines Ministers Lützow.“ S. 9). Für so wichtige Haltungen des Großherzogs wie sein Interesse an technischer Modernisierung, seine Offenheit für eine kleindeutsche Einigung und seine Bereitschaft, zugunsten dieser auch eigene Souveränitätsrechte abzugeben, werden keine Motive erkennbar. Wiese schildert den Fürsten als Akteur, ohne die Interessengruppen am Hof, insbesondere außerhalb dynastischer Verbindungen, in einem wünschenswerten Umfang zu berücksichtigen. Problematisch sind auch die begrifflichen Schwächen. So bleibt beispielsweise unklar, was darunter zu verstehen ist, dass die Persönlichkeit von Friedrich Franz „ganz Christus gehörte“ (S. 16). Das Agieren als Kirchenoberhaupt wird lediglich als „energisch“ umschrieben (S. 9), und wohl konservative Kreise im mecklenburgischen Adel werden unpräzise als „Ultras“ (S. 10) bezeichnet. Als Ungenauigkeit muss auch angeführt werden, dass Wiese die Erbgroßherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin aus dem Haus Hessen-Homburg als die Großmutter von Friedrich Franz bezeichnet. Dabei wird nicht erwähnt, dass es sich hierbei um keine leibliche Verwandtschaft handelte, sondern Auguste die dritte Ehefrau von Großvater Friedrich Ludwig und damit die Stiefmutter von Vater Paul Friedrich war. Die eigentliche Großmutter Helena von Russland war bereits 1803 gestorben.

Als weiterer Kritikpunkt muss angeführt werden, dass die Aufbereitung der Quellentexte minimalistisch erfolgt. Die Kommentierung ist äußerst knapp gehalten, wenn bei genannten Personen lediglich in der Fußnote die Lebensdaten und der Beruf beziehungsweise das Amt genannt werden. Auch Ereignisse und Anspielungen werden nur unzureichend in ihrem Kontext verortet. Eine Anbindung der Kommentierung an die Forschungsliteratur liegt nicht vor. Im Personenverzeichnis wäre zudem eine thematische Untergliederung bei sehr häufig genannten Personen sinnvoll gewesen. Ein Sachwort- und ein Literaturverzeichnis sind nicht enthalten, obwohl dies längst als editorischer Standard gilt.

In der Gesamtbilanz sind somit durchaus Einblicke in die bisher wenig bekannte Perspektive der Fürstenseite zugänglich. Hinsichtlich der wissenschaftlichen Darlegung des Kontextes sowie der editorischen Aufbereitung der Quellen kann die Arbeit jedoch nicht ausreichend zufriedenstellen.

Anmerkungen:
1 René Wiese, Orientierung in der Moderne. Großherzog Friedrich Franz von Mecklenburg und seine Zeit (Quellen und Studien aus dem Landesarchiv Mecklenburg-Vorpommerns, Band 8), Bremen 2005.
2 Maximilan II. im Geheimen Hausarchiv in München und Erzherzog Johann im Steiermärkischen Landesarchiv in Graz überliefert.

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